Toronto, 29.12.2012, 3.45 Ortszeit – nach 3 Stunden Schlaf ist die Nacht schon wieder vorbei. Streichhölzer zwischen die Augenlieder, rein in die Klamotten und ab zum Streetcar. Gut 2 Stunden später sind wir dann vorerst am Ziel: International Airport Toronto Pearson. Grund für diese Nachtwanderung ist der geplante New Years Roadtripp nach Chicago. Nach weiteren 2 Stunden zwischen US-amerikanischen Zollbehörden und dem Gate, unterbrochen von vielen bangen Blicken auf das Rollfeld, das immer weniger unter dem ganzen Neuschnee zu erkennen ist, sind wir dann in der Luft. Windy City – here we come!
Off to Chicago
Was folgen sollte, waren 5 Tage in einer der schönsten Städte, die ich bislang gesehen habe. Die positiven Eindrücke begannen schon mit dem Hostel. Das in der Nähe des Lincoln Park gelegene Getaway Hostel ist ohne Frage das beste Hostel in dem ich jemals abgestiegen bin. Neben einer rießigen modernen Küche, stylisher Einrichtung und angenehmer Loungeatmosphäre gibts hier unter anderem auch jeden Tag frische Handtücher, super Housekeeping und jede Menge Events für die Besucher – nicht wirklich selbstverständlich, erst recht nicht für das Geld das wir gezahlt haben.
Aber auch der Rest der Stadt wusste von Anfang an zu überzeugen. Zwar wurde uns recht schnell bewusst, warum Chicago den Spitznamen Windy City trägt, doch die Architektur, die vielen Grünflächen, der Chicago River mitten in der Stadt oder die relaxten Menschen auf den Straßen faszinierten uns sofort. Allein die Subway in Chicago (oft nur „L“ genannt) bringt durch ihre oberhalb des Fahrbahnlevels gebaute Schienen eine ganz eigene Charakteristik in die Stadt und ist einfach super anzuschauen.
Subway Schienen auf der Wabash St
Subway Schienen auf der Wabash St
Subway Schienen auf der Wabash St
Weiter gehts mit dem Chicago River in Mitten der Stadt, an dessen Ufern die Wolkenkratzer in die Höhe wachsen.
Chicago River
Und auch die Skyline muss sich sicherlich nicht von den aus Funk und Fernsehen bekannten Verwandten aus NYC, Sydney oder Dubai verstecken.
Michigan Ave
Blick auf den Willis Tower aus Chinatown
Chicago Skyline
Gekrönt wird das Gesamtbild Chicagos dann von Dingen wie dem Millenium Park, Sammelstelle für allerlei Kunstwerke wie das Cloudgate (oft nur „Bean“ genannt), den breiten Straßen, den prachtvollen Häuserfassaden auf der Magnificent Mile, dem alten Water Tower, dem Navi Pier und einem abschließenden Blick über die Dächer der Stadt. Wir haben uns dabei für den Hankock Tower entschieden, da es hier im 96. Stock eine Bar gibt, die zwar recht ordentliche Preise hat, aber ein 8$ Tee immernoch günstiger kommt, als die 18$ Aufzugsgebühr für die Aussichtsplattform. Irgendwo ist man halt doch Schwabe 😉
Cloudgate im Millenium Park
Navi Pier vom Hankock Tower aus
Blick vom Hankock Tower auf den Lincoln Park
Blick vom Hankock Tower auf Downtown
Nach 2 Tagen intensivem Sightseeing, vielen Kilometern zu Fuß, platten Füßen und einigen Dunkin Donouts meinen wir nun zu wissen, was Barack Obama an dieser Stadt so alles inspiriert haben könnte. Umso überaschender erscheint es doch, dass die wenigsten Leute in Europa wirklich was mit der Stadt Chicago anfangen können. Vermutlich liegts wie so oft am Agenda Setting unserer Medien- und Meinungsmacher, die neben NYC, Vegas und vielleicht noch San Fransisco keinen Platz mehr für Windy City in ihrer Berichterstattung haben. Mir persönlich hat Chicago allerdings um einiges besser gefallen, als z.B. NYC – eine relaxtere Atmosphäre, grünere Stadt und einfach mehr down-to-earth als das hektische und vollgestopfte New York. Daher unbedingte Reiseempfehlung für jeden US-Touri, approved by Landy and me!
Alright, Sightseeing-Part ist damit also weitestgehend abgehakt, kommen wir nun zum spaßigen Teil. Was macht man also in so einer Stadt, wenn man nicht wie unser chinesischer Zimmermitbewohner , der auf Grund seines Pullis mit der Aufschrift „Alfred“, den er nur zum Schlafen gehen ablegte und daher im Weiteren nur noch Alfred genannt wird, jeden Tag irgendwelche Gebäude von oben bis unten inspizieren will, um sich auf sein Architekturstudium in den USA vorzubereiten? Man könnte zum Beispiel den vom Hostel angebotenen Pub Crawl mitmachen. Da ist dann sogar unser Alfred dabei gewesen. Allerdings nur bis vor die Tür der ersten Bar, denn da fiel ihm ein, dass er seine ID nicht am Mann trug. Wozu auch eine ID mitnehmen, wenn man in einen Pub will und ein Milchgesicht wie ein 12 jähriger hat? Naja, wers nicht im Kopf hat, hats eben in den Beinen und so stapfte er zurück ins Hostel, um eine halbe Stunde später wieder in der Bar zu erscheinen, um dann wiederum festzustellen, dass er kein Geld dabei hat…Ein lustiges Bürschchen. Aber eine graue Maus gegenüber Zimmermitbewohner Nummer 2. Rob aus Cincinnati!
Ein Name wie Donnerhall und ebenso war unser erstes Treffen. Wir in unserm Zimmer, gemütlich am fertig machen für den zweiten Tag Chicago Downtown, als plötzlich die Tür aufspringt und ein ca. 1,80 m großer und 2 m breiter Milchbub in der Tür steht, uns kurz seinen Schlüssel als Beweis der rechtmäßig erworbenen Mitbewohnerschaft in unserem Zimmer zeigt, seine Tasche aufs Bett knallt und einige Sätze in seinen nur spärlich vorhandenen Bart murmelt, von dem wir nur „…I got robbed at the trainstation…“ verstanden. Ehe wir überhaupt was erwidern konnten, war er auch schon wieder verschwunden. Nevermind Rob, have a nice day!
Abends in der Hostelküche trafen wir ihn dann wieder, als er gerade sein, nach eigenen Aussagen weltberühmtes Chili für die gesamte Hostelbelegschaft zubereitete. Zunächst entschuldigte er sich für sein stürmisches Auftreten einige Stunden zuvor. Er müsse mit einer persönlichen Krise zurecht kommen, gleiches hatte er uns auch in einem Entschuldigungsbrief, den wir auf Landys Bett fanden, geschrieben. Die Krise bestand dadrin, dass er am Morgen wohl einem Straßenmusikanten zu viel Aufmerksamkeit geschenkt hatte und ein Taschendieb dies ausnutze, um seine Tasche mitsamt Laptop, Kamera und Geld zu klauen. Armer Vogel…aber er war jetzt schon wieder bester Laune, verteilte fröhlich an alle Personen, die er sehen konnte sein Chilli und fing an, von seinem 8 Jahre alten Sohn zu erzählen. What? 8-jähriger Sohn? Äußerlich sah unser guter Rob maximal wie ein 19-Jähriger aus, tatsächlich brachte er es aber schon auf stolze 28 Lenze. Das Chili war übrigens so mittelgut, aber trotzallem plauderten wir ne Runde mit ihm und es wurde schnell klar, dass er zu wirklich jedem Thema was zu sagen hatte und ein zu geringes Selbstbewusstsein nicht wirklich seine Schwäche war.
Als wir dann „the german drinking game“ Looping Louie auspackten, fand sich schließlich auch eine angemeßene Audienz für Robs Lebensweißheiten an unserem Tisch ein und es entwickelte sich ein feiner Wettkampf zwischen Team Germany und den World Allstars. Rob erzählte unterdessen fleißig weiter, musste trinken, erzählte, musste trinken, erzählte immer noch, musste schon wieder trinken….eine halbe Stunde später und eine Vodkaflasche ärmer stand er schließlich mit den Worten „I´m done for today, have to keep my drinking skills for tomorrow“ auf…und fiel um. Game over für unsern neuen Buddy. Aber kein Grund zur Sorge, nachdem er sich ne viertel Stunde auf dem Fußboden ausgeruht hatte, schaffte er es noch ins Bett.
Looping Louie Chicago Open: Team Germany vs Wold Allstars
Am nächsten Morgen war er schon wieder bei bester Laune und sortierte fleissig seinen Kleiderschrank, den er auf den Fußboden unseres Zimmers verlegt hatte, um schließlich festzustellen, dass er sich noch unbedingt einen Anzug für die vom Hostel organisierte 10$-all-u-can-eat-and-drink-New-Years-Party kaufen müsse.
Rob und sein Kleiderschrank
Wir machten uns hingegen in Richtung Lincoln Square auf, einem ehemaligen deutschen Neighborhood und während in Deutschland allerorts die Raclettepfännchen bestückt und die Vorglühsessions langsam eingeläutet wurden, kehrten wir auf ne deutsche Brotzeit mit Bitburger, Bratkartoffeln, Sauerkraut und Woschd im Chicago Brauhaus ein. Begleitet wurde das ganze Spektakel von den lieblichen Klängen eines Schifferklaviers, gespielt von einem alternden Kasanova, der seine Pausen dazu nutze, den 4 deutschen Omis am Nachbartisch mit zotigen Witzen seine humorvolle Ader zu präsentieren. Zur perfekten Kaffeefahrtatmosphäre fehlten eigentlich nur noch Wärmedecken.
Hereinspaziert!
Fast wie dahoam
An unserm Tisch wurde hingegen recht schnell unsere deutsche Identität enttarnt und nach einem Plausch mit unserer Bedienung, die in Freiburg und München studiert hatte, stand dann auch unser Abendprogramm fest. Davor hieß es aber nochmal zurück ins Hostel, ausruhen, nachsehen ob Rob vom Anzugskauf oder Alfred vom Architekturstudium zurück sind und schließlich aufhübschen fürs Silvesterdinner. Dieses wollten wir in der bekannten Hähnchenbraterei „Hooters“ zu uns nehmen und während in Deutschland bereits die Raketen flogen, servierte uns Hooters-Kalendergirl Carley ihre spicy hotwings mit curly fries.
Silvesterdinner im Hooters
Nachdem das Erinnerungsfoto im Kasten war, gings zurück ins Hostel, wo uns bereits Rob erwartete und voller Stolz seine Ausbeute des Tages präsentierte – handsome boy eh?
Rob im Silvesterdress
Da wir neben ihm eh nur wie Schulbuben ausgesehen hätten, machten wir uns auch bald schon wieder auf in Richtung Wrigleys Field. In einer angrenzenden Bar waren wir mit dem Brauhaus-Schatzerl und ihren Buddies vom Nachmittag verabredet, um gemeinsam ins neue Jahr zu feiern. Davon gibts dann eigentlich auch gar nicht mehr so viel Spektakuläres zu berichten, außer vielleicht, dass die Dame ihren gesamten Handtascheninhalt in ihrem Dekoltee spazieren trug oder dass Rob bei unserer Rückkehr ins Hostel ziemlich sauer auf uns war, da wir ihn nicht mitgenommen hatten. Er habe ja nie Probleme Frauen zu finden, aber die Damen auf der Hostelparty seien ihm einfach nicht gewachsen und außerdem sei ihm dieser eine Saudi Araber immer wieder in die Parade gefahren. Sorry for that buddy, maybe next time!
Ganz vorbei war der Trip damit aber noch nicht. Nachdem der Neujahrskater überwunden war, zogs uns in den folgenden 2 Tagen noch zum Enten füttern in den Lincoln Park-Zoo,
Blick auf die Skyline aus dem Lincoln Park
zum Shooping bei Candice und Carley,
Boys-Shooping
und in die Pizzeria Due, wo wir die kulinarische Seite Chicagos kennenlernten. Auf dem Speiseplan stand nämlich die hier erfundene Deep Dish Pizza. Äußerlich erinnert die erstmal an einen Kuchen, ist aber belegt wie eine Pizza und braucht gute 45 Minuten im Ofen, bis sie serviert werden kann. Mächtiges Teil und nach 2 Stücken pro Nase waren wir auch mehr als bedient. Lecker wars!
Deep Dish Pizza
Abschließend durfte natürlich auch sportliches Sightseeing nicht fehlen. Zwar gabs leider kein NFL Game der Bears und noch leidiger kein NHL Game der Blackhawks, aber immerhin waren wir am Stadion und den Fanshops.
Soldier Field – Stadion der Chicago Bears
Let´s go Blackhawks!
Tja und dann wars auch schon wieder vorbei. Ratzfatz saßen wir im Flugzeug zurück in die Kälte, zurück in den Schnee, zurück ins Eishockeyland. Zwar legt mich gerade eine Entzündung in der Achillesferse etwas lahm, aber immerhin haben die Buam der NHL und NHLPA sich endlich geeinigt. Lockout beendet – Let´s drop the puck! Die Kanadier sind schon ganz hibbelig und fiebern dem Saisonstart nächsten Samstag entgegen – mir gehts selbstredend genauso. Vielleicht kann ich dann sogar schon im nächsten Blogpost von den Eindrücken meines ersten NHL Spiels berichten…We´ll see.
Zurück in Toronto